Stella, 59

 

Ich habe gerade meine Freundin zum Bahnhof gefahren – und natürlich die Kamera eingepackt, um an diesem Sonntagmittag noch einmal kurz eine Runde durch das Bahnhofsviertel zu drehen. An der Ecke Moselstraße/Kaiserstraße steht ein alter Kofferkuli mit bunten Tüten. Er hatte meine Aufmerksamkeit erregt, weil nur wenige Schritte davon entfernt Touristen ein Selfie machten. Eigentlich wollte ich ein Foto, das beides zusammenbringt: die Touristen und das Wägelchen. Doch ich war zu weit weg – und bis ich dort war, war das Gruppenbild schon geschossen.

Den Kuli fotografierte ich trotzdem. Dann kam eine ältere Frau auf mich zu und wollte wissen, ob ich ihren Wagen fotografiert habe, was ich bejahte. Ob ich ihr dafür einen Euro geben könne, fragte sie sehr freundlich und begann, einen Teil ihrer Lebensgeschichte zu erzählen. Stella ist 59 Jahre alt, kommt aus Griechenland und lebt seit 42 Jahren in Deutschland. Früher hat sie als Köchin gearbeitet, doch bei einem Arbeitsunfall sei ein Wirbel zertrümmert worden. Jetzt ist sie nach eigenen Angaben erwerbsunfähig und zu 80 Prozent behindert. „Ich koche gut, aber ich kann nicht lange stehen und nichts Schweres halten.“ Sie bekommt eine kleine Rente, die sie einmal im Monat in München abholen muss, wo sie früher gelebt hat. Eine Zeitlang hat sie einen Scheck zugeschickt bekommen, doch dann hat jemand versucht, sie zu betrügen und gegenüber der Rentenkasse ein Konto angegeben, das angeblich ihr gehöre. Der Scheck blieb aus. Jetzt ermittele die Polizei gegen den Betrüger, sagt Stella.

Ihr ist schon häufiger übel mitgespielt worden. Einmal, als sie in einem Keller übernachten durfte, ahnte sie nicht, dass man ihren Raum durch einen Schrank betreten konnte. Ein Mann sei aus dem Nachbarraum gekommen und habe sie vergewaltigt. Stella lebt vom Flaschensammeln, auch dazu braucht sie den Kofferkuli. Und weil sie eigentlich wegen ihres Rückens Ruhe bräuchte und nicht am Tag viele, viele Kilometer durch die Stadt ziehen sollte. Bei manchen Rewe-Märkten hat sie Hausverbot. Die wollen offenbar nicht, dass die Pfandsammler kommen. Auch aus Bus und Straßenbahn ist sie schon häufiger rausgeschmissen worden, angeblich, weil ihr Wagen nach Alkohol stinkt. Auf der Straße ist Stella gelandet, als ihr Mann starb und ihr Schulden in Höhe von 17.000 Euro hinterließ. Für die muss sie jetzt gerade stehen. Und einen negativen Schufa-Eintrag hat sie auch. Mit so einem Eintrag darf man noch nicht einmal eine Wohnung besichtigen.“

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